Attosekundenspektroskopie an Molekülen und Festkörpern
Die E11-Forschungstätigkeit im Bereich der Attosekundenphysik hat zum Ziel, inneratomare und innermolekulare Prozesse auf der kürzesten bislang zugänglichen Zeitskala zu untersuchen, der Attosekunden-Zeitskala. Die Zeitspanne einer Attosekunde (10-18 s) entspricht im Verhältnis zu einer Sekunde der Dauer dieser Sekunde bezogen auf das Alter des Universums. Neue Einsichten in den Mikrokosmos der Materie, die durch immer feinere räumliche Auflösung gewonnen werden, und indem chemische und physikalische Prozesse auf atomarer Ebene durch Steigerung der zeitlichen Auflösung überhaupt erst in ihrem Ablauf sichtbar werden, sind in vielen Bereichen der Wissenschaft gefragt. Dieses Interesse an ultraschnellen Prozessen ist die treibende Kraft hinter der Entwicklung von Quellen für ultrakurze Lichtpulse und Messtechniken, die zeitaufgelöste Untersuchungen auf immer kürzeren Zeitskalen ermöglichen.
Anregungs-/Abfrageexperimente („pump-probe scheme“) erweisen sich als der unmittelbarste Zugang zu der zeitlichen Auflösung von schnell ablaufenden Prozessen im Mikrokosmosmos: Ein kurzer Anregepuls setzt hierbei den Prozess in Gang und ein Abfragepuls erfasst anschließend den Zustand des Systems zu aufeinanderfolgenden Zeitpunkten nach der Anregung. In der Abfolge solcher Standbilder ergibt sich schießlich ein Gesamtbild vom Prozessverlauf. Für Prozesse auf atomarer Ebene und in den inneren Schalen von Molekülen blieb ein solcher Zugang jedoch bis vor nicht allzu langer Zeit verwehrt, infolge der dort erforderlichen Kombination aus hoher Photonenenergie und einer Pulsdauer im Sub-Femtosekundenbereich. Eine Lösung dieses Problems bietet das Konzept der lichtfeldkontrollierten XUV-Photoemission, welche gestattet, entweder den XUV-Anregepuls oder den XUV-Abfragepuls durch ein starkes, wenige Schwingungsperioden im NIR einhüllendes Laserfeld zu ersetzen, also den XUV-Puls als Anregepuls und den NIR-Puls als Abfragepuls zu verwenden, oder umgekehrt. Die wesentliche Voraussetzung hierfür ist die Erzeugung und Charakterisierung von isolierten, weniger als eine Femtosekunde langen XUV-Pulsen, die mit Attosekunden-Genauigkeit zu einem starken, wenige Zyklen im NIR umfassenden Laserfeld synchronisiert sind. Sie ist der Einstieg einer Route zu transienter Spektroskopie an den inneren Schalen von Atomen und Molekülen mit heutzutage gegebenen Laserquellen.
Das Ziel unserer Arbeitsgruppe ist es, die Attosekundentechnologie weiterzuentwickeln und ihr großes Potenzial für die Molekularwissenschaft aufzuzeigen, welches sich daraus ergibt, dass sie einen direkten Zugang zur Beobachtung der Elektronenbewegungen in molekularen Systemen ermöglicht. Es sollen Anstrengungen unternommen werden, den auf der Attosekundenskala stattfindenden Ladungstransfer zu steuern und zu beobachten, der mit der Bewegung von gebundenen Elektronen zwischen den Kernen einfacher Moleküle einher geht. Aufbauend auf hierbei gewonnene Einsichten soll dann der äußerst wichtige Prozess der Ladungsmigration in größeren und komplexeren Molekülen untersucht werden, der auf einer Femtosekundenskala abläuft. Elektronentransfer in Proteinen ist gegenwärtig von größtem Interesse. Nicht nur spielt er eine wichtige Rolle bei der Photosynthese und in Donor-Akzeptor Redoxreaktionen, der hierbei auftretende extrem schnelle Ladungs- und Energietransfer dient auch als Energiepumpe in biologischen Systemen. In derart komplexen Systemen wird der Ladungstransfer womöglich nur durch Elektronenkorrelation hervorgerufen. Ein erzeugtes Loch kann zwar auf einer Femtosekundenskala durch ein molekulares System wandern, die extrem schnelle erste Antwort des System auf einen Anregung jedoch findet jedoch auf einer Attosekundenskala statt und konnte bislang noch nicht zeitlich aufgelöst werden. Wir hoffen, diese Prozesse, die für ein weites Feld von wissenschaftlichen Themen relevant sind, mit Attosekundentechnologie sichtbar zu machen.