Zum Inhalt und den Zielen Aus Alltag und Technik bekannte Phänomene lassen sich sämtlich auf die Mechanik, Schwerkraft und Elektrodynamik sowie gegebenenfalls deren quantisierte Versionen zurückführen. Die Elektrodynamik spielt hierbei eine besondere Rolle, da sie das einfachste in der Natur realisierte Beispiel für eine Feldtheorie ist. Dabei werden insbesondere Kräfte lokal (Nahwirkung) durch Felder, welche eine physikalische Realität darstellen (z.B. weil sie, wie wir sehen werden, eine Energie- und Impulsstromdichte besitzen), hervorgerufen. Dies steht im Gegensatz zur Newtonschen Gravitation, welche auch als Fernwirkung aufgefaßt werden kann. Auch besteht ein offensichtlicher Gegensatz zur Mechanik der Punktteilchen bzw. der starren Körper. Heute wissen wir, daß auch die Gravitation eine lokale Feldtheorie ist (allgemeine Relativitätstheorie, 2016 einmal mehr spektakulär durch den Nachweis der Gravitationswellen bestätigt). Schließlich führt die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der Felder zusammen mit der Forderung, daß diese vom (gleichförmigen) Bewegungszustand des Beobachters unabhängig sein soll, zur Relativitätstheorie, welche das Bild von der Raumzeit in der klassischen Mechanik fundamental verändert. Auch die Materie kann konsistent nur feldtheoretisch im Rahmen des Standardmodells der Teilchenphysik beschrieben werden, wobei hier allerdings der quantenmechanische Welle-Teilchendualismus essentiell ist, um das beobachtete Verhalten von Punktteilchen zu verstehen. Die Elektrodynamik ist, sofern wir die Rückreaktion des elektromagnetischen Feldes auf seine Quellen (Ladungen und Ströme) vernachlässigen, eine lineare Theorie. Führt man sich die verschiedenen von ihr beschriebenen Phänomene vor Augen, zeigt sich hier besonders beeindruckend wie in der Physik aus einfachen mathematischen Naturgesetzen eine sehr große Komplexität hervorgehen kann. Die Linearität führt dazu, daß wir für gegebene Quellen mit Hilfe Greenscher Funktionen exakte Lösungen berechnen können. Die Methode der Greenschen Funktionen ist aber grundlegend für die quantisierte Version der Elektrodynamik und für die theoretische Teilchenphysik (und auch für die feldtheoretische Behandlung kondensierter Materie): Prozesse werden störungstheoretisch (also nicht exakt und näherungsweise) durch die Verkettung von Greensfunktionen behandelt. Graphisch wird dies durch sogenannte Feynmandiagramme dargestellt, in denen einzelne Linien bestimmten Feldern zugeordnete Greensfunktionen darstellen. Daher werden Greensche Funktionen einen substantiellen Anteil dieser Vorlesung einnehmen. Weiterhin zeigt sich, daß die schwachen und starken Wechselwirkungen strukturell Verwandte ersten Grades der Elektrodynamik sind (auch wenn die Phänomenologie sich stark unterscheidet): Es sind ebenso Eichtheorien, und die Feldgleichungen haben die gleiche form wie die Maxwellgleichungen, wobei nichtlineare Termen aus nichttrivialen gruppentheoretischen Gründen hinzutreten. Diese Nichtlinearitäten führen zu einem sehr verschiedenene Verhalten, und bei der schwachen Wechselwirkung kommt noch die spontanten Brechung der Eichsymmetrie hinzu, welche 2012 mit der Entdeckung des Higgsbosons spektakulär bestätigt wurde. Während die Eichpotentiale und die Eichfreieit in dieser Vorlesung als mathematischer Trick daherkommen, spielen sie offenbar in der Quanten(feld)theorie und in der Natur eine überragende Rolle. Die Elektrodynamik fußt auf den Maxwellgleichungen, welche Sie bereits aus der Experimentalphysik kennen. Die dort in beeindruckender Weise vorgeführte Demonstration der Kraft- und Induktionsgesetze kann die theoretische Physik natürlich nicht liefern. Aufgrund der Einfachheit der Maxwellgleichungen nehmen die konzeptionellen Entwicklungen in dieser Vorlesung einen eher geringen Raum ein, und ein größeres Gewicht liegt auf den Methoden (z.B. Greensche Funktionen, Separationsansätze und Entwicklung in orthonormalen Funktionensystemen, Eichpotentiale), welche auch im weiteren, oben beschriebenen Rahmen anwendbar sind. Eher gegen Ende des Semesters werden wir dann aber noch zur Beschreibung einer Reihe interessanter (und für die hier betriebene Forschung relevanter) Phänomene gelangen (z.B. Strahlung beschleunigter Ladungen, Beugung, Tscherenkov-Effekt, ...). Zur Vorlesung: Skript, Übungen etc. Dieses Skript dient in erster Linie als Vorlage und Gedächtnisstütze für die Vorlesungen. Zur weiteren Vertiefung sind daher insbesondere die Übungen sowie die zahlreichen Lehrbücher zum Thema empfohlen. (Zur Erstellung dieses Skripts wurden insbesondere die Bücher von Jackson, Fließbach, Nolting und Griffith sowie das Skript von Prof. Kaiser benutzt.) Darüberhinaus sollen Unklarheiten, welche an der Tafel oder im studentischen Mitschrieb entstehen, beseitigt werden. Korrekturen werden dankbar entgegengenommen. Schließlich wird das selbständige Rechnen der Übungsaufgaben ausdrücklich empfohlen, da eine erfolgreiche Lösung (anders als das Lesen und Nachvollziehen von Musterlösungen oder Beispielen) dazu "zwingt", den Stoff zu verstehen.